ICAN-Rede zu Atomwaffengeschäften der Commerzbank

Rede der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) bei der Hauptversammlung der Commerzbank. Heidi Kassai, Frankfurt, 8. Mai 2018

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
Sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats der Commerzbank,

Sie sind Banker. Das heißt, Sie sind an der Zukunft interessiert. Sie investieren und erwarten Rendite. Sie säen heute, um morgen zu ernten. Wer sein Geld bei Ihnen anlegt, verzichtet auf kurzfristigen Vorteil und erhofft sich dafür Sicherheit und eine bessere Zukunft. Dieses Anliegen teilen wir.

Mein Name ist Heidi Kassai, ich spreche heute für die kritischen Aktionäre und für ICAN, die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, die im Dezember 2017 den Friedensnobelpreis erhielt. Warum wurde diese weltweite Kampagne mit 468 Partnerorganisationen in 101 Ländern geehrt? Die Auszeichnung erfolgte für die erfolgreiche langjährige Vorbereitung des im Juli 2017 von der UN beschlossenen Atomwaffenverbotsvertrags.

122 Nationen, also zwei Drittel aller UN-Mitgliedsstaaten, haben diesem Vertrag zugestimmt. Nicht nur die Mehrheit der Weltbevölkerung, sondern auch 90 % der deutschen Bevölkerung hat sich ebenfalls für die Abschaffung aller Atomwaffen ausgesprochen. Darunter finden sich viele Ihrer Kunden, die vielleicht noch nicht alles über Sie wissen. ICAN untersucht seit 2014 in einer Studie, wer in die Herstellung und Entwicklung von Atomwaffen investiert. Nach unseren Recherchen hat die Commerzbank in den letzten drei Jahren sieben Atomwaffenproduzenten Finanzmittel zur Verfügung gestellt. Atomwaffen sind ein Bombengeschäft. Diese Branche boomt. Wie kommt das?

Nach dem kalten Krieg haben die Atomwaffenstaaten versprochen, komplett abzurüsten. Dieses Versprechen haben sie gebrochen. Zwar wurden in den 1990er Jahren die Arsenale verkleinert. Seit zehn Jahren hat es jedoch keine weiteren Abrüstungsschritte gegeben. Stattdessen sind jetzt alle Atommächte dabei, wieder aufzurüsten. Sie wollen mehr als eine Billion Dollar für die Modernisierung und Verbesserung dieser Massenvernichtungswaffen ausgeben.

Die gefährlichen Drohungen von Donald Trump, Vladimir Putin und Kim Jong-Un haben uns in den vergangenen Monaten so nahe an einen Atomkrieg gebracht, wie seit dem kalten Krieg nicht mehr. Das neue Wettrüsten gefährdet den Frieden.

Die Commerzbank verdient am Wettrüsten kräftig mit. Trotz gegenteiliger Versicherungen macht sie weiterhin Geschäfte mit den Ingenieuren der Aufrüstung. Sehr geehrte Damen und Herren, Sie tragen damit zu einem Zustand bei, den John F. Kennedy wie folgt beschrieb:

„Jeder Bewohner dieses Planeten muss heute daran denken, dass es einen Tag geben könnte, an dem die Erde nicht mehr bewohnbar ist. Jeder Mann, jede Frau, und jedes Kind lebt unter einem nuklearen Damoklesschwert, das an einem seidenen Faden hängt, der jeden Moment durchtrennt werden kann: durch Unfall, oder durch Fehlkalkül, oder durch Wahnsinn. Diese Waffen müssen wir abschaffen, bevor sie uns abschaffen.“

Wir wissen heute, was in Hiroshima und Nagasaki geschehen ist. Wir kennen die Geschichten des unerträglichen Leides der Opfer und Überlebenden. Wir wissen, dass Atomwaffen dafür geschaffen sind, Städte und ihre Bewohner auszulöschen. Dass es schon bei der kleinsten Nuklearexplosion unmöglich ist, wirksame medizinische Hilfe für die Verletzten zu leisten. Dass Atomwaffen nicht zwischen zivilen und militärischen Zielen unterscheiden. Dass Ihr Einsatz niemals verhältnismäßig sein kann und dass sie deshalb allen Normen und Regeln das Völkerrechts und Gewissens zuwiderlaufen. Jeder Atomwaffeneinsatz ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Und Abschreckung erfordert immer die Bereitschaft zum Einsatz.

Mit der Finanzierung von Atomwaffen bereiten Sie einen möglichen kriegerischen Einsatz vor. Bei einem Atomkrieg gibt es allerdings keine Gewinner.

In Ihren Richtlinien zum „Nachhaltigen Finanzwesen“ schreiben Sie :
„Unter einem nachhaltigen Finanzwesen (Sustainable Finance) versteht die Commerzbank alle Formen von Finanzdienstleistungen, die darauf abzielen, Auswirkungen einer produktiven Realwirtschaft auf Umwelt und Gesellschaft in positiver Weise zu verbessern“.

Wir sehen hier einen Widerspruch, wenn Sie dennoch an der Finanzierung der zerstörerischsten Massenvernichtungswaffen der Welt beteiligt sind. Wenn Sie Eltern sind: was wäre mit Ihren Kindern, Enkeln und Urenkeln? Möchten Sie ihnen eine zerstörte, verstrahlte Zukunft überlassen? Wäre es nicht viel erfüllender, Ihr Kapital in eine humane, lebenswerte und nachhaltig schöne Welt zu investieren, wie Sie es in Ihren Richtlinien anstreben?

„Wir leben im Zeitalter der nuklearen Riesen und der ethischen Zwerge“ sagte der ehemalige Chef aller Stabschefs der US-Armee General Omar Bradley, Zeuge der Zerstörung von Hiroshima. Ist es nicht an der Zeit unser Geld umzuschichten um die Welt besser zu machen, statt sie immer weiter zu zerstören?

Die Commerzbank hat eine Richtlinie zu Geschäften mit Rüstungsfirmen. Nach eigenen Angaben sind Geschäfte mit Atomwaffen-Herstellern für die Commerzbank ausgeschlossen. Das finden wir richtig.

Es gibt aber ein Problem: Sie genehmigen sich nämlich eine große Ausnahme. Investitionen in Atomwaffenfirmen sollen für die Commerzbank weiter möglich sein, wenn die Herstellung von Atomwaffen nur einen Teil des Umsatzes ausmacht. Die weltweit wichtigen Hersteller, die wir in unserer Studie identifiziert haben, sind aber alles große Konzerne, die auch andere Geschäftszweige haben. Zum Beispiel die Herstellung anderer Waffen, oder die Entwicklung anderer High-Tech-Systeme. Wenn Sie sich also für jeden Atomwaffenhersteller eine Ausnahme genehmigen können, dann bringt Ihre Richtlinie wenig.

Ich möchte mit drei Beispielen verdeutlichen, wie direkt die Commerzbank am atomaren Wettrüsten beteiligt ist.

Erstes Beispiel: Die Commerzbank hat der Firma AECOM einen Kredit von rund 200 Millionen Dollar eingeräumt, damit AECOM die Firma URS übernehmen konnte. Teil dieser Übernahme war ein Milliardenauftrag zum Betrieb des Los Alamos National Laboratory. Hier wurde die Atomwaffe erfunden. Hier wurden die Atombomben gebaut, die in Hiroshima und Nagasaki hunderttausende Menschen töteten. Und hier entwerfen jetzt AECOM-Ingenieure neue, leistungsfähigere Atomsprengköpfe, die bis über das Jahr 2060 hinaus einsatzbereit sein sollen.

Ich frage den Vorstand: wenn eine dieser neuen Waffen zum Einsatz kommt, und eine dritte Stadt dem Erdboden gleichmacht, werden Sie es dann bereuen, dass Sie ihre Entwicklung finanziell unterstützt haben?

Noch ein Beispiel: Die Commerzbank vergab 130 Millionen US-Dollar an BAE Systems. BAE Systems produziert Minuteman-Interkontinentalraketen für die USA, nukleare Cruise Missiles für Frankreich, und Trident-Raketen für die britischen Atom-U-Boote. Mindestens ein solches U-Boot ist immer irgendwo im Ozean unterwegs. Die Befehlsgewalt an Bord hat der Kommandeur. Für den Fall, dass der Kontakt mit der Heimat abbricht, soll er in der Lage sein, selbstständig einen Vergeltungsschlag mit Atomwaffen auszuführen. Darum gibt es an Bord keine technischen Vorkehrungen, die den Abschuss verhindern können. Ein britischer U-Boot-Kapitän braucht keinen Code, um einen Atomkrieg auszulösen.

Ich frage den Vorstand: wenn einer dieser Kommandeure durchdreht, und er beschließt, seine Raketen abzufeuern – finden Sie es dann richtig, dass Sie BAE Systems die Herstellung der Raketen ermöglicht haben?

Ein letztes Beispiel: Die Commerzbank unterhält laufende Kredite in Höhe von insgesamt 440 Millionen USD für die Firmen Airbus, Safran und Thales. Diese drei Firmen produzieren gemeinsam die M-51-2. Das ist die neueste französische Atomrakete. Die ersten davon sind seit 2016 einsatzbereit. Eine solche Rakete trägt acht Sprengköpfe, die acht verschiedene Ziele gleichzeitig treffen können. Jeder Sprengkopf hat eine Zerstörungskraft von 150 Kilotonnen TNT-Äquivalent. Die Sprengkraft der Hiroshima-Bombe betrug 15 Kilotonnen. Frankreich will 48 dieser Raketen bauen. Bei einer sehr konservativen Schätzung von hunderttausend Toten pro Sprengkopf ist das genug, um 40 Millionen Menschen zu töten.

Ich frage: spielt das für Sie eine Rolle, wenn Sie Airbus, Safran und Thales Kredite geben? Ist dieses Geld gut angelegt?

Die Commerzbank behauptet, sie lässt sich versichern, dass ihre Kredite nicht zur Atomwaffen-Entwicklung verwendet werden. Sehr geehrter Herr Zielke, ich frage mich, wie Sie das kontrollieren können, nachdem das Geld einmal auf dem Bankkonto dieser Unternehmen ist? Und wie passt das zu Ihrer Beteiligung an einer Transaktion mit so direktem Atomwaffen-Bezug wie dem Einstieg von AECOM bei der Los Alamos National Security LLC?

Wir erwarten von der Commerzbank, dass Sie alle Geschäftsbeziehungen mit Atomwaffenherstellern beenden, dass Sie Ihre Ausschlussliste veröffentlichen, und über die Einhaltung Ihrer Richtlinie Rechenschaft erteilen. Sie würden damit dem Beispiel zahlreicher anderer Banken und Investoren folgen, die diesen Schritt bereits gegangen sind.

Sie können so einen Beitrag zu einer besseren Zukunft leisten, in der Ihr Geschäft blühen kann. Wir erwarten nicht weniger von Ihnen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.