Die Drohgebärde mit atomarer Bewaffnung ist längst ein Feilschen um Macht und wirtschaftliche Zusammenhänge geworden. Wer in den Atomlaboren, zum Beispiel in den USA, an der Bombe arbeitet, genießt häufig einen gesicherten, gehobenen Lebensstandard, erzählten uns Trish und Greg Mello von der Los Alamos Study Group bei ihrem Besuch in Deutschland.
Verknüpfungen der Rüstungsindustrie mit den Milliardengeschäften der Atomindustrie zur zivilen Nutzung machten Firmen und Einzelpersonen reich und mächtig. Eine starke Wirtschaftslobby mit Verflechtungen hinein in die Politik und zu Geheimdiensten hält die Atomwaffenindustrie am Laufen. Banken sind weltweit in die Finanzierung von Atomwaffen und deren Trägersystemen verstrickt. Das US-amerikanische Atomlabor in der Wüste von Arizona, Los Alamos, die Geburtsstätte der Bombe, ist immer noch ein mächtiger, geschützter Hochsicherheitstrakt, in dem Menschen an der Bombe arbeiten. Eine Gruppe der Friedensbewegung, die Los Alamos Study Group (LASG), beobachtet seit Herbst 1989 die Atomwaffenschmiede und lüftet Geheimnisse der Atomwaffenindustrie. Greg und Trish Mello von LASG berichteten von ihren Erkenntnissen während einer Tour in Deutschland früher in diesem Jahr.
Die MitarbeiterInnen im Atomlabor werden teuer bezahlt. Eine Anstellung in der Nuklearwaffenindustrie verschafft ihnen einen Lebensstandard, der mit anderen Jobs nicht so leicht zu erlangen ist. Staatsangestellte verdienen in den USA weit weniger als die Angestellten der Privatfirmen. Was sie in den Atomlabors verdienen, bleibt zwar geheim, aber die Los Alamos Study Group hat einige Zahlen aufgedeckt.
Ein Geschäftsführer des Labors, so heißt es, verdiene ca. 1,6 Millionen US-Dollar pro Jahr. Tausende WissenschaftlerInnen bekommen genauso viel wie ein Staatsminister oder ein General. Auch eine Sekretärin kann 187.000 US-Dollar jährlich kassieren. Diese Zahlen werden nur mündlich weitergegeben, sie existieren nicht auf dem Papier.
Die Atomwaffenherstellung in den USA ist mittlerweile zu 95% privatisiert. Acht Atomzentren, die nukleare Sprengköpfe herstellen, existieren in den USA: drei Labore und fünf Herstellungsanlagen. Die drei Labore sind das Los Alamos Nuclear Laboratory (LANL), Lawrence Livermore Nuclear Laboratory (LLNL) und Sandia Nuclear Laboratory (SNL).
Die Macht der Atomlabore wuchs seit 1996. Seit 2006 sind sie vollständig privatisiert: Los Alamos wird von Bechtel Corporation, URS (von AECOM übernommen), Babcock und Wilcox und der Universität von Kalifornien betrieben. Die gleichen vier Unternehmen betreiben Livermore, zusammen mit der Firma Batelle. Sandia ist in den Händen von Lockheed Martin.
Insgesamt wird in den nächsten dreißig Jahren eine Billion US-Dollar für diese Modernisierungs- Programme und für neue Atomanlagen (ohne die neuen U-Boote) ausgegeben werden, geschätzte 355 Milliarden im nächsten Jahrzehnt.
Der US-Kongress kann bei neuen Anschaffungen von Trägersystemen oder Anlagen intervenieren. Aus solchen Gründen wurde eine Fabrik zur Herstellung von Plutonium, „Pits“ (die Atomkerne der Bomben), bereits gestoppt.
Die Modernisierung der Atomwaffen ist also ein großes Gerangel um Macht und wirtschaftliche Vorrechte. Es gilt genau hinzuschauen, welche Banken und welche Konzerne verstrickt sind. Die Kampagne „Atomwaffen – ein Bombengeschäft“ versucht Licht in diese Verstrickungen zu bringen und Finanzinstitute in Deutschland, die in Modernisierung von Atomwaffen investieren, zu bewegen, aus diesen Geschäften auszusteigen. Am Weltspartag, dem 30. Oktober 2015, rief die Kampagne AktivistInnen dazu auf, unter dem Aktionsmotto „Spar Dir den Atomkrieg!“ Filialen der Deutschen Bank, Commerzbank sowie Allianz-Filialen in deutschen Städten aufzusuchen, um den MitarbeiterInnen Sparschweine mit dem Aktionsslogan zu übergeben. In Bonn, Frankfurt, Gießen, Hamburg, Hannover, Köln und Würzburg wurden Briefe an die FilialleiterInnen überreicht. Die öffentliche Wahrnehmung der Aktion steigert den Druck auf die Kreditinstitute, aus der Finanzierung der atomaren Rüstung auszusteigen.
Am 12. November 2015 erschien die neueste Ausgabe der ICAN-Studie „Don’t Bank on the Bomb“, herausgegeben von PAX. Die internationale Kampagne zeigt langsam Wirkung. Denn weltweit haben 53 Finanzunternehmen Investitionen in die Produktion von Atomwaffen verboten oder reduziert. Das sind 150 Prozent mehr Banken und Versicherungen als im Vorjahr. Trotzdem listet der Bericht noch 382 Banken, Versicherungen und Rentenfonds auf, die seit Januar 2012 fast 500 Milliarden US-Dollar für die Produktion nuklearer Waffensysteme zur Verfügung gestellt haben. Zehn deutsche Banken und Versicherungen investieren mehr als zehn Milliarden US-Dollar (fast neun Milliarden EUR) in Firmen, die die verheerendsten Massenvernichtungswaffen und deren Trägersysteme herstellen. Diese Unternehmen profitieren von Milliardenverträgen für die „nukleare Aufrüstung“, die die Atomwaffenstaaten vorantreiben. Mehr als 25 Millionen US-Dollar investieren deutsche Banken und Versicherungen beispielsweise in die Firma Boeing, die seit Jahrzehnten für die Entwicklung und Produktion von US-Langstreckenraketen verantwortlich ist. Boeing baut das Heckteil für die neue B 61-12-Atombombe, deren Stationierung in Deutschland voraussichtlich ab 2020 geplant ist.
Silvia Bopp ist Mitarbeiterin der Friedenswerkstatt Mutlangen e.V.
Xanthe Hall ist Geschäftsstellenleiterin und Abrüstungsreferentin der IPPNW Deutschland.
Dieser Artikel ist in einer längeren Version im IPPNWforum Ausgabe 144/Dez 2015 erschienen